Was ich vor den Partner stelle

Die Tage hab ich mich gefragt, was für mich partnerschaftliche Liebe bedeutet. Feststellen muss ich, dass ich in tieferen Schichten eine noch immer ziemlich eingeschränkte Sicht darauf habe. Ich muss mir sogar immer wieder eingestehen, dass ich ganz schön viele Vorstellungen und Bedingungen daran knüpfe: So und nicht anders soll der Partner sein, den ich liebe. So soll er im Leben stehen, das sollte er schon mitbringen und bieten etc.

 

Aha, so denke ich also! Und welche Gefühle wünsche ich mir, wenn genau diese Bedingungen erfüllt wären? Etwa gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung? Das Gefühl, dass die Menschen in meinem Umfeld denken müssen, was ich doch für einen tollen Partner und eine super Beziehung habe und daher auch was ganz Besonderes sein muss? Genau das bietet mir das Leben jedoch gerade nicht. Der Teil in mir, der sich mit all diesen Vorstellungen und Bedingungen identifiziert hat, möchte am liebsten die Flucht ergreifen und dann doch lieber alleine bleiben. 

 

Eins hab ich jedoch in den letzten Jahren immer wieder gelernt: Weglaufen gilt nicht. Stehen bleiben, bewusst wahrnehmen, was sich da an Gedanken und Gefühlen zeigt und allem einen Platz geben. Das schafft Raum zu erkennen, was mein Seele wirklich erleben, lernen und erfahren möchte und was sie nun bereit ist, loszulassen. So langsam erkenne ich, dass viele dieser Gedanken tiefliegende Muster und Programme sind, die bereits früh übernommen worden sind, geprägt aus einer gesellschaftlichen Norm, geprägt von meinen Bezugspersonen und deren übernommenen Programmen. Aber entspricht dies wirklich den Wünschen meines Herzens? Bedeutet dies Liebe und Freiheit? Das was ich doch so gerne immer wieder bekunde und als wichtige Werte hochhalte? Bekunden kann ich viel. Doch wenn es drauf ankommt, bin ich bereit, die Liebe anzunehmen, die sich jenseits dieser Vorstellungen bewegt? Kann ich den anderen frei annehmen, so wie er ist, ohne leiseste Bewertung, ohne kleinste Verurteilung, ohne ihn auch nur ein bisschen verbiegen zu wollen? Nicht so einfach. Immer wieder ertappe ich mich dabei. Immer wieder muss ich mir ehrlich gegenüberstehen, meine Gedanken wahrnehmen und fühlen, dass es dabei um meine eigenen Gefühle geht, die ich mit meinen Vorstellungen verknüpfe.

 

Tja, und was ist, wenn dieser Partner meiner Vorstellung nie auftaucht? Oder was ist, wenn dieser wieder geht? Sind die tollen Gefühle dann auch weg? Ja, solange ich verknüpfe, solange ich den Partner für meine Gefühle verantwortlich mache und somit gefesselt bleibe. Menschen, die neue partnerschaftliche Wege einschlagen, lernen genau diese Gefühle nicht mehr an den anderen zu knüpfen, sondern sie als eigenen Anteil zu erkennen, zu achten und zu würdigen und unabhängig vom anderen zu fühlen. Es ist ein Weg der Selbstliebe und in den Selbstwert. Die beste Voraussetzung für eine Wesenspartnerschaft, die nicht mehr fesselt, sondern in Liebe und Freiheit erblüht. Uns dafür bereit machen, heißt, immer wieder die Aufmerksamkeit auf uns selbst zu richten und immer wieder das Herz für alles auf zu machen.


Zur Person: Jeanne Surmont ist heilkundliche Psychotherapeutin, Traumatherapeutin und Kunsttherapeutin. Ihr Spezialgebiet ist emotionale Bewusstseinsarbeit und Integrationsarbeit zur Heilung eigener und transgenerativer traumatischer Erfahrungen. Sie arbeitet in München in eigener Praxis und online mit Menschen weltweit auf Deutsch, English und Französisch.